WER…

…degang – … oder… warum ich Jurist und nicht Lehrer geworden bin.

Erste wirtschaftliche Ambitionen habe ich bereits im Alter von sieben Jahren an den Tag gelegt, als ich vor der Haustür meiner Eltern, in einem sehr kleinen Dorf vor Erlangen, kleine Sträußchen von Wiesenblumen an die vorbeikommenden Spaziergänger verkaufte. Finanzielle Erfolge konnte ich allerdings erst verbuchen, als ich für das alljährliche Feuerwehrfest mein Warenangebot um Bierdeckel erweiterte– meine ersten erfolgreichen Schritte für Markt- und Standortanalyse waren gemacht.

 

Als Schüler eines musikalischen Gymnasiums war meine Jugend dann doch eher von dem Spielen diverser Instrumente, bis hin zu Auftritten in Orchestern und Bands geprägt, und als Berufswunsch gab ich immer häufiger an, Lehrer werden zu wollen. Allerdings haben gerade diese meine pädagogischen Ambitionen vereitelt, da mir zu Unrecht während meiner Oberstufenzeit drei Verweise verpasst worden waren. Ich schaffte es bei allen dreien, und davon waren zwei Direktoratsverweise, meine Unschuld zu beweisen. Mein zweiter Berufswunsch zeigte sich mich Macht: mein Verhandlungsgeschick deutete an, dass ich doch am liebsten Rechtsanwalt werden wollte.

 

Noch bevor ich dann an der Friedrich- Alexander-Universität in Erlangen mein Studium der Rechtswissenschaften begann, nahm ich einen Job in einer großen lokalen Kanzlei an. Dort lernte ich von Grund auf die Organisation einer Kanzlei und den Wert von Spezialisierung zu schätzen. Vermutlich habe ich dort mehr Zeit zugebracht, als in den Vorlesungen.

 

Zu einem erfolgreichen Studium gehört ja auch eine zweijährige Referendariatszeit, in der die Studenten in allen Fachbereichen Erfahrungen sammeln können. Für mich stand am Ende dieser Zeit vor allem fest, dass ich nicht als Staatsanwalt in der Klägerrolle einsetzbar bin, habe ich doch in meiner Zeit als Staatsanwalt eher versucht, den Angeklagten in meiner Argumentation zu entlasten, was meiner Vorgesetzten schwer missfallen hat.

 

Nach erfolgreich abgeschlossenem Examen delegierte mich die Kanzlei, für die ich nach wie vor und inzwischen als Rechtsanwalt tätig war, für eineinhalb Jahre zu einem großen Weltkonzern. Hier bekam ich Einblicke in die Verhandlungsführung und Entscheidungspolitik von Großkonzernen – das wirtschaftliche Optimum bei gleichzeitiger Beachtung der personalen und politischen Struktur zu erreichen war nicht selten wichtiger als das juristische Optimum zu erfüllen. Hier war die Weichenstellung meiner Karriere vollzogen – nicht die großen Streitfälle vor Gericht reizten mich, sondern die Verhandlungen zu Verträgen und Partnerschaften, die in ihrer Güte das Streiten überflüssig werden lassen.

 

Mein Wechsel zu einer international agierenden Kanzlei war da der nächste Schritt, um mein unternehmerisches Denken und Handeln bei der Führung eines Teams von Anwälten zu beweisen. Auch konnte ich durch einen mehrmonatigen Aufenthalt in Atlanta bei einer US-Kanzlei Erfahrungen im internationalen Transaktionsgeschäft, US-Handels- und Einwanderungsrecht sammeln. Meine dort erworbenen englischen Sprach- und Verhandlungskenntnisse sind mir heute noch von Nutzen, wenn ich international agierende Unternehmen unterstütze.

 

In die Lehrerrolle bin ich dann aber doch noch geschlüpft – erst beim Aufbau eines Campus für interne Aus- und Weiterbildungen für ausländische Spezialisten in deutschem und EU – Handelsrecht, dann auch als freiberuflicher Dozent bei diversen Anbietern und vor allem als Lehrbeauftragter in diversen Fachbereichen bei der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen, der Fachhochschule Würzburg und der ICN Business School (Universität Nancy) in Nürnberg.

 

In 2009 erfüllte ich mir meinen großen Traum und arbeite seither in meiner eigenen Kanzlei für internationales Wirtschafts- und Handelsrecht.

 

Lebenslauf Dr. Jörg Reichelsdorfer